Ein Tag, zwei Reviere, 30 Jahre Waldbau – ANW-Herbstexkursion am 6. Oktober 2022

Bild aus dem Revier Tännich. Eine Gruppe Förster steht vor einem Schießstand und hört den Ausführungen von Andreas Schöler zu.
Möglichkeiten und Chancen des Erhalts von „umfütterndem“ Totholz. Ein Diskussionsthema im Revier Tännich, bei Revierleiter Andreas Schöler. Foto: Nora Wottke
Bild aus dem Revier Weimar mit Förstern auf einem Forstweg.
Pflege und Struktur im sich entwickelnden Dauerwald. Diese Thematik stand im Mittelpunkt bei Revierleiter Wolfgang Grade im Revier Weimar, Revierteil Reisberg. Foto: Nora Wottke

ANW-Exkursion am 26. April 2022 ins Revier Gräfenroda, Forstamt Finsterbergen

Fichtenwirtschaft im Thüringer Gebirge – Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie – Dauerwald und Waldumbau im Thüringer Gebirge

Erstes Waldbild --- Teilfl. 131 b1 mit 17,7ha, Hff – ZG2/ZG3/ZGg3U, Klimabereich 34, Nordhang

Zweischichtiger Fichtenreinbestand im mittleren bis starken Baumholz in der Hangneigungsstufe 4 (größer 50%), Höhe über NN 700 – 750 m

OB 100% Fichte mit 135 Jahren, 1,01 bestockt, mit ca. 730 Vfm/ha
UB Fichte mit einzelnen Buchen
Der Planungsvorschlag der FE von 2016 beträgt 100 Efm/ha einzelstammweise, in 2 Nutzungen.

Forstamts- und Revierleiter betonten, dass sie auch in Zukunft auf solchen Standorten und in dieser Höhenlage mit der Fichte wirtschaften wollen. Vor dem Hintergrund der Klimaentwicklung, die in den letzten Sommern sichtbar wurde und den daraus folgenden Erwartungen für die BA Fichte kam schnell die Frage auf welche Erwartungen man insbesondere für den Oberbestand habe?

Die Diskussionen gingen in der Entnahmestärke von 120 Efm/ha (2x60 Efm) bis zu 400 Efm/ha (250 + 150 Efm), von Saumkahlschlägen bis zur einzelstammweisen Nutzung, wobei das bayerische Gebirgsmodell mit der Ausformung von „Buchten“ beidseits der Seiltrassen mehrheitlich favorisiert wurde. Bei der Ausformung der Buchten ist darauf zu achten, dass am Rand möglichst stabile Bäume stehen, um die Nachbrüche zu begrenzen.

Relativ einig war man sich, dass der Oberbestand noch wichtige differenzierende Wirkungen für den Unterstand hat und dass man die vorhandenen Mischbaumarten durch Pflege auf jeden Fall begünstigen und erhalten will. „Schäden“ an der Verjüngung in Folge der Holzernte (HE) sollten (als Chance) genutzt werden um weitere Mischbaumarten einzubringen.

Auch wenn der Wunsch besteht auf diesen Standorten weiter mit der Fichte zu wirtschaften, so ist doch keineswegs sicher wie lange das noch möglich sein wird. Damit drängt sich auch die Frage auf wie weit das „System Fichte“ hier zu lande noch zukunftsfähig ist, oder ob zur Sicherung der zukünftigen Waldfunktionen der Schwerpunkt der Betrachtungen nicht viel stärker auf die Folgegeneration zu lenken ist? Wenn dem so ist stellen sich die Fragen, was bringt man wie und wann im Unterstand noch ein und wie viel fm des Oberbestandes braucht man dauerhaft, um das Überleben der Mischbaumarten und eine Differenzierung im Unterstand zu gewährleisten?

Zweites Waldbild --- Teilfl. 137a11 mit 7,88ha, Mf – ZG 2 / ZG3 Klimabereich 34; südöstl. geneigt

Zweischichtiger Fichtenreinbestand im mittlere Baumholz, Höhe über NN ca. 650 m

OB 100% Fichte mit 121 Jahren, 0,68 bestockt, mit ca. 470 Vfm/ha
UB Fichte überwiegend im Dichtstand mit einer Oberhöhe von ca. 5-6 m

Der Planungsvorschlag der FE von 2016 beträgt 60 Efm/ha einzelstammweise im OB.

 Diskussionspunkte waren:

  • Pflege im Unterstand: Ja oder nein?
  • Pflegezeitpunkt?
  • Förderung und Einbringung von Mischbaumarten?
  • Technologie Holzernte Oberbestand?

Erfreulich war eine gute Differenzierung nach Höhe und noch mehr nach Durchmesser im Unterstand. Aufgrund des gedrängten Dichtstandes im Unterstand kommt nur wenig Wasser am Boden an (hohe Interzeption) und die Wahrscheinlichkeit, dass der Unterstand in Trockenstress gerät (evtl. komplett ausfällt) und die Einzelbäume eine unzureichende Wurzelentwicklung haben ist hoch.

Eine Stammzahlreduktion wäre teuer (ca. 1500,-€/ha), zudem würde das verbleibende Material so hoch liegen, dass auch nur ein Teil des Niederschlages am Boden ankäme, das Holz würde für verschiedene Käferarten aber durchaus bruttaugliches Material darstellt. Wichtig ist in jedem Fall vorhandene Mischbaumarten durch Pflege zu sichern und möglichst auch noch weitere Mischung einzubringen.

So ging die Diskussion denn auch von unbedingt möglichst zeitnah auf Stückzahl reduzieren, über Energieholzentnahme, bis zu noch warten und in ca. 5 Jahren mit dem Harvester durch eine erste Holzernte pflegen. Einigkeit bestand darin vorhandene Mischbaumarten auf alle Fälle durch Pflege zu sichern.

Sinnvoll erscheint mir eine Energieholznutzung auch wenn damit ein gewisser Nährstoffentzug verbunden ist. Es wäre eine zumindest kostendeckende Vereinzelung im Unterstand, die einen Pflegeeffekt für die verbleibenden Individuen hat, die die Wasserversorgung deutlich verbessert und bei der kein Brutmaterial für die Borkenkäfer verbleibt.

Im Oberbestand der sich sehr differenziert darstellt, sind die 60 Efm bei einem Vorrat von 470 Vfm, eher eine untere Grenze.

Drittes Waldbild --- Teilfläche 140 b11, 2, 3 mit 7,62 ha, Mf – ZG3 Klimabereich 34, östlich geneigt

OB 100% Fichte 59 Jahre, 0,83 bestockt mit Beimischung von Kiefer und Birke, Höhe über NN ca. 650 m, Vorrat ca. 340 Vfm/ha.

Der Planungsvorschlag der FE von 2016 beträgt 80 Efm/ha in 2 Eingriffen und eine Pflege im Unterstand.

Der Waldumbau unter Einbeziehung von natürlich entstandenen Vorwäldern aus Pionierbaumarten, hier überwiegend der Birke, nach Kalamität in einem aufgelichteten Fichtenreinbestand war an dieser Stelle das Thema. Zu sehen war das segensreiche Wirken der Pionierbaumarten. Nach nur 15 Jahren war in den gepflegten Birken ein Waldinnenklima entstanden, dass sich sehr vorteilhaft auf die Optionen der Lichtsteuerung und damit der Differenzierung auswirkt. Die Begünstigung bereits vorhandener-, sowie die Einbringung weiterer Mischbaumarten ist damit ebenfalls viel besser steuerbar.

Pionierbaumarten sind Lichtbaumarten und brauchen, um stabil zu werden, eine möglichst lange (mind. 70%) Krone. Ohne mehrmalige Pflegen fallen sie i. d. R. frühzeitig aus und machen regelrecht „die Biege“. In der Diskussion wurde auch gefragt ob es eine Option sei die Birken in einem Schritt auf einen Abstand von 7m zu reduzieren? Das würde bewirken, dass sich das Waldinnenklima erst deutlich später, beim Erreichen eines relativen Dichtschlusses, einstellen würde.

Insgesamt eine sehr gelungene Exkursion, bei einem sehr engagierten Team vor Ort. Hier wurden keine „Traumhaften Waldbilder“, dafür aber echte Aufgaben, die es zu lösen gilt, gezeigt und diskutiert.  

 

Hubertus Schroeter, Mai 2022