22.09.2023: Versuchte Waldwende – Drei Jahrzehnte Einsatz für den Dauerwald
Unter diesem Leitgedanken feierte die ANW-Landesgruppe Thüringen am 22. September des vergangenen Jahres ihr dreißigjähriges Bestehen. Den Auftakt bildete eine Exkursion mit Revierleiter Wolfgang Grade (stellv. Vorsitzender) ins Weimarer Webicht, einem ehemals fürstlichen Walddistrikt mit barocker Hofjagdattitüde, welcher heute als gelungenes Beispiel für etablierte Dauerwaldbewirtschaftung im urbanen Raum gelten kann.
Damit kam bereits zum Ausdruck, dass auch die Bewirtschaftung unserer Wälder und die mehr oder minder gesuchten Änderungen der Vorzeichen sich nicht einfach aus sich heraus erklären lassen. Es braucht steten Abgleich zwischen Errungenem und Notwendigem, und nicht zuletzt der kritischen Würdigung einer geleisteten Entwicklung. Insofern ist aus einem Blick zurück manchmal ein besserer Blick nach vorn zu erlangen.
Die eigentliche Festveranstaltung im alten Jagdzeughaus in Bad Berka mit knapp 60 Mitgliedern, Freunden und Gästen übte dann genau das – den einen oder anderen Blick zurück.
Festvortrag von Prof. Manfred Schölch; Hier bei der Vorstellung von auf Thüringen ausgerichteten, sogenannten Art-Analogien zur zukünftigen Eignung der heimischen Baumarten mit fortschreitendem Klimawandel (Foto: C. Lippold)
Ohne Frage gut angelegt waren diese Blickrichtungen in den Grußworten von Volker Gebhardt (Vorstandssprecher ThüringenForst AöR), Dirk Fritzlar (Vorsitzender Thüringer Forstverein) und Peter Schwöbel (Ehrenvorsitzender der ANW Thüringen) – allesamt Gründungsmitglieder sowie beredte Zeugen der mutigen und schaffensreichen Anfangsphase der ANW-Landesgruppe Thüringen. Hans von der Goltz flankierte die Beiträge pointiert und gleichsam mit Hervorhebung der breiten politischen Bemühungen, die naturgemäße Dauerwaldwirtschaft als konsensfähiges Praxismodell zu verankern.
Heute erleben wir ein breites Interesse am Dauerwald gerade in der heranwachsenden Generation von Forstleuten. Die Exkursionsgemeinschaften verjüngen sich erfreulich, die thüringer ANW-Hochschulgruppe organisiert und vernetzt sich zusehends. Wie eindrucksvoll und gleichauf unwirklich wirkt es da von Peter Schwöbel zu hören, dass sich in der Gründungsphase der Landesgruppe ab 1992 – aus berechtigter Sorge vor dienstlichen Repressalien – zunächst kein Forstamtsleiter zutraute, die Aufbauarbeit im Amt des Vorsitzenden zu leisten. Zu gewagt erschien der Bruch mit erlernten und verlangten klassischen Waldbautraditionen und mit den die Wälder durchziehenden Ideologien der Hegejagd. Rückendeckung aus der forstlichen Ministerialbürokratie bot allein der damalige Landesforstchef Dr. Volker Düssel, kein Mitglied aber erfreulicherweise ebenso anwesend in Bad Berka wie zur Gründungsveranstaltung 1993 in Creuzburg.
Von Anbeginn an verstand die Thüringer ANW ihren selbstgestellten Auftrag und ihr Tun als Beitrag zu einer dringend gebotenen Waldwende. Da jede Wende zum Besseren hin mit Meinungen und Werthaltungen im Kopf beginnt und sich sprichwörtlich der Geist anstecken lassen muss, ist es verständlich, dass sich die Thüringer ANWler neben dem Sammeln guter Beispiele in südlicher und westlicher Richtung auch dem Verbreiten der Ideen naturgemäßer Waldwirtschaft im eigenen Land intensiv widmeten.
Wie nah Zuversicht auf die Entfaltung einer besseren Waldzukunft und Demütigungen und Rückschläge auf dem Weg dorthin beieinander lagen, zeigte eindrucksvoll der Festvortrag von Prof. Dr. Manfred Schölch mit dem Thema „Waldumbau: Anlässe, Erfahrungen, Ausblicke“.
Hier nahm er unter anderem das Thüringer Waldumbauprogramm von 1996 unter die Lupe, zu welchem er – im Auftrag der damaligen Thüringer Landesforstverwaltung – selbst die Konzeption zur Umsetzung erarbeitet hat. Es ist nicht zur Ausführung gekommen, im Gegenteil. Nach der Jahrtausendwende verschärften sich Ton und Tun von jagdpolitischen Seite gegenüber den Naturgemäßen. Das Klima für die Verfechter des Dauerwaldes, die doch noch in den frühen 1990er Jahren mehr Freiheitsgrade und eine größere Euphorie leben konnten, schien sich zu ändern. Dennoch arbeitete gerade die Generation der ersten Stunde unablässig weiter an den Ideen und deren Überführung in gerechte Dauerwälder.
Die von Lars Wollschläger, Vorsitzender der ANW-Landesgruppe Thüringen seit 2020, in seinem Festvortrag gezogene Bilanz ist also berechtigt positiv.
Stolz, aber nicht selbstgefällig, können wir auf ausgemachte und gut entwickelte ANW-Bespielbetriebe des Dauerwaldes in Thüringen blicken, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Wald. Die Mitgliederzahlen steigen vor allem durch den Zuspruch junger Menschen in forstlicher Ausbildung. Eine ANW-Hochschulgruppe an der FH Erfurt unterstützt seit 2017 die Bildungsarbeit auf dem Weg zum Dauerwald. Bereits 2014 wurden originäre ANW-Gedanken Grundlage der Dienstordnung Waldbau und damit der gemischte und strukturierte Dauerwald zum Leitbild des Waldbaus bei ThüringenForst. Frühjahrs- und Herbstexkursionen stärken die Dauerwaldinteressierten im Hinblick auf das Lernen aus der Praxis für die Praxis in Thüringen. Jahresexkursionen führen in hervorragende Beispielbetriebe bei europäischen Partnern und in für das forstliche Handeln unersetzliche Naturwälder.
Nachhaltige Veränderungen passieren selten im Gleichmaß, sondern eher eruptiv, wie der aktuelle Waldwandel durch den tiefgreifenden klimatischen Wandel, oder eben in bedeutend kleineren Gangarten. Insofern bot die 30-Jahre-Festveranstaltung zahlreiche Möglichkeiten sich der vielen schon gegangenen Schritte zu vergewissern – und der Gemeinschaft, in der sie gesetzt wurden. Das zeigte nicht zuletzt das lange Beisammenbleiben des Großteils der Teilnehmenden nach dem offiziellen Veranstaltungsende.
Ehrung der langjährigen Wegbereiter des Dauerwaldes in Thüringen durch den ANW-Landesvorsitzenden Lars Wollschläger (re); Hubertus Biehl (Mitinitiator der Gründung, langjähriger Betriebsleiter der Buchenplenterwälder in Westthüringen), Peter Schwöbel (Gründungsvorsitzender bis 2003, Ehrenvorsitzender), Hubertus Schroeter (Vorsitzender 2003-2020) (v.l.n.r.); (Foto: H. Schwöbel)
Resümee: Eine Waldwende zu mehr naturgemäßem und damit wahrscheinlich zukunftsfähigerem Wald ist heute nötiger denn je, sie ist im Hinblick auf Dauerwald stets zukunftsoffen zu denken und in Thüringen auf großen Flächen noch nicht erreicht. Dauerwald ist – nicht nur in Thüringen – scheinbar nicht anweisbar. Dauerwald bleibt eine Generationen beschäftigende Daueraufgabe. Die Umsetzung in der Unterweisung wie auch in der praktischen Ausführung selbst ist kräftezehrend, die Ergebnisse selbst sind beglückend. Möge allen Wegbereitern und den nachrückenden Köpfen lange Zeit gute Gesundheit beschieden sein.
Caroline Lippold, Daniel Heinrich ANW-Landesgruppe Thüringen
07.07.23: Ein Freitag für den Dauerwald
Borkenkäferkalamität und Waldumbau – Waldbegang im Revier Oehrenstock
Am 07.07.2023 trafen sich rund 20 Forstfrauen und – männer im Revier Oehrenstock des Forstamts Frauenwald zur Veranstaltung der Reihe „ein Freitag für den Dauerwald“ zum Thema „Borkenkäferkalamität und Waldumbau“. Auch Studierende der FH Erfurt waren zahlreich vertreten und zeigten hohes Interesse am waldbaulichen Vorgehen in fichtendominierten Regionen. In einer fünfstündigen Exkursion zeigte Revierleiter Andre Deglau verschiedene Waldbilder und stellte die Ergebnisse seiner langjährigen naturgemäßen Waldbewirtschaftung vor.
Von der Schortemühle ging es zu Fuß für die Zwei- und Vierbeiner das Schortetal hinauf. An den Exkursionspunkten zeigte Andre Deglau Einblicke in 35 Jahre intensive Revierarbeit und stellte eindrucksvoll den Waldumbau in ehemaligen einschichtigen Fichtenreinbeständen zu strukturierten und gemischten Waldbildern vor. So entwickelte er in seiner Dienstzeit mit ursprünglich 17 ha Unterstand im Revier, dauerwaldartige Strukturen, sodass das Revier Oehrenstock heute einen Unterstand auf über 700 ha bestehend aus vorwiegend Buche, Fichte, Weißtanne, Douglasie, Weichlaubhölzern, Bergahorn und Anteilen von Eiche, vorweisen kann.
Als sein „Geheimrezept“ betont er immer wieder die ausdauernde Bejagung und regelmäßige Durchforstungen als Basis zur Entwicklung standortsangepasster baumartenreicher und stabiler Mischwälder. Seine Rehwildstrecke ist konstant auf hohem Niveau und steigt sogar jährlich. Die Vorverlegung der Jagd auf den Monat April sieht er als unverzichtbar an. Ab sofort möchte Revierleiter Andre Deglau auf Pflanzungen und Zaunbau verzichten und ausschließlich auf natürliche Sukzession und Nachwuchs setzen. Gerade in Zeiten der Borkenkäferkalamität und der seit dem Jahr 2018 anhaltenden Dürre und abgängiger Wälder scheint dies ein erfolgsversprechender Weg, um den Thüringer Wald weiterhin zu erhalten. Selbst bei abgängiger Fichte bleibt ein Grundbestand für die nächsten Generationen erhalten und große Kahlflächen zur Wiederbewaldung werden vermieden.
Nach dem Anstieg wurde bei Bratwurst und Kaltgetränken über die forstliche Situation im Revier sowie die weitere Entwicklung der Wälder diskutiert und neue Kontakte geknüpft.
Ein herzlicher Dank gilt Andre Deglau für die Ausrichtung, Verpflegung und Vorbereitung der Veranstaltung. Katharina Bloß, FoA Frauenwald
Exkursionsgemeinschaft mit Andre Deglau vor ausdrucksstarkem Waldbild (Foto: K. Bloß)
Juni 2023: Jahresexkursion der ANW-Landesgruppe Thüringen in die griechischen Rhodopen
Griechenland – da denkt wahrscheinlich jede und jeder erstmal an Meer, Strand und weiße Häuser. Aber Griechenland ist noch mehr. Zum Beispiel hohe Berge, unberührte Täler und Wälder ... und Ziegen. Zu dieser Erkenntnis kam jedenfalls unsere Exkursionsgruppe aus 25 Forstleuten, Waldbesitzenden und Studierenden, welche sich im Rahmen der Jahresexkursion der ANW-Landesgruppe Thüringen auf den Weg in die Rhodopen machten. Vom 05. bis zum 13. Juni 2023 lernten wir diese reich ausgestatte Landschaft im Nordosten Griechenlands, in der Verwaltungsregion Ostmakedonien und Thrakien kennen und schätzen. Ziel unserer Reise war es, vor allem einen Blick zu gewinnen hinüber zu gleichwertigen Waldstandorten, eingedenk eines sich deutlich warm und stark sommertrocken entwickelnden Klimas. Wir waren neugierig, welche trockenverträglichen Baumarten vielleicht auch bei uns als Mischung und Ergänzung dienen können und wie generell in Nordgriechenland Waldwirtschaft betrieben wird.
Montag, 05. Juni 2023
Nach individueller Anreise fanden wir uns alle am Flughafen Thessaloniki ein, um den Bustransfer nach Stavroupoli zu nehmen. Stavroupoli liegt etwa auf der Hälfte der Strecke zwischen Rhodopen-Hauptkamm (Grenze zu Bulgarien) und Thrakischen Meer. Dort wurden wir herzlich willkommen geheißen durch den uns zum Freund gewordenen Pantelis Theodoridis – Regionalförster, Tourguide, Quartiergeber und Ansprechpartner in allen Belangen.
Pantelis Theodoridis, Förster im Forstamt Xanthi, Foto: Ingolf Profft
Dienstag, 06. Juni 2023
Der erste volle Exkursionstag führte uns in den Erymanthos-Wald, in dem Waldarbeiter mit Holzernte beschäftigt waren. Auf dem Weg dorthin konnten wir zum ersten, aber nicht letzten Mal die Höhenzonierung der Landschaft spüren: Von reichen Eichenwaldgesellschaften (Steineiche: Quercus ilex, Traubeneiche: Quercus petraea, Ungarischer Eiche: Quercus frainetto) mit Beimischungen Kieferarten (Schwarzkiefer: Pinus nigra, Rumelische Kiefer: Pinus peuce, Föhre: Pinus sylvestris) und Silberlinde (Tilia tomentosa) und schließlich Buchen (Rotbuche: Fagus sylvatica, Orientbuche: Fagus orientalis) und Tannen (Weißtanne: Abies alba, Griechische Tanne: Abies cephalonica, Bulgarische Tanne: Abies borisii-regis). Interessant war die morphologisch nicht immer eindeutige Zuordenbarkeit innerhalb verwandter Arten. So gibt es insbesondere bei den Eichen- und Buchenarten hybride Formen.
Die meisten der griechischen Sukzessionswälder, insbesondere in den unteren und mittleren Gebirgslagen, entstanden, nachdem die typische Beweidung mit Ziegen und Schafen seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr zurückging und die Natur die Chance hatte, sich die Flächen allmählich zurückzuerobern.
Die Forstwirtschaft in Griechenland ist extensiver als bei uns. Das Holz bleibt in der Regel in der Region, entweder als Brennholz oder Sägeholz. Die Nutzungsmengen liegen dabei deutlich unter den Zuwächsen. Der Großteil des Waldeigentums ist in den Händen des griechischen Staats. Die Ernte erfolgt im Stockverkauf, dass heißt die Waldarbeiter kommen aus den umliegenden Dörfern, sprechen die Ernte mit dem zuständigen Förster ab und Ernte und Verkauf erfolgen über sie. Dabei zeichnen versierte Vorarbeiter einzelstammweise mit dem Beil am Stamm und mit dem Anschlaghammer am Stammfuß (als Kontrollmarke) aus. Die Förster kontrollieren die Hiebsvorbereitungen. Es erfolgt nach dem Holzverkauf eine prozentuale Erlöserstattung an das Forstamt.
Am heutigen Tag konnten wir einige Professoren der Universität kennenlernen, live bei Holzfällungen dabei sein und auch selbst mit Auszeichnen. Zum Abschluss der Waldrunde besuchten wir mit dem Chaidou-virgin Forest einen Prozessschutzwald auf rund 1.500 Meter Höhe an der unmittelbaren Grenze zu Bulgarien. Dieser ist geprägt von alten Buchen mit vielfältigen Stammformen und für die Höhenlage beeindruckenden Oberhöhen (ca. 30 Meter) und entsprechender reicher Krautvegetation. Nach all den neuen Eindrücken wurden wie dann noch (wie eigentlich an jedem Tag) regionalspezifisch, reichlich und lecker kulinarisch versorgt.
Mittwoch, 07. Juni 2023
Am dritten Tag stand der Elatia-Forest auf dem Plan – ein Waldgebiet, welches fast nur aus Fichte (Picea abies) besteht. Diese Baumart erreicht hier den südlichsten Punkt ihrer natürlichen europäischen Verbreitung und ist in 1500 m Höhe sichtbar standortsgerecht. Das Vorkommen endemischen Arten der Balkanregion unterscheidet den Elatia-Wald in der Biodiversität deutlich von den mittel- und nordeuropäischen Fichtenwäldern. Der Anblick von intakten grünen Fichtenbeständen war für die Thüringer Förster sehr ungewohnt.
Auch hier findet eine minimal punktuelle forstwirtschaftliche Nutzung statt. Nach dem bereits auf der letzten Auslandsexkursion bewährten Motto „Kompakt bleiben“ kamen trotz unterwegs gesichteter Braunbärspuren alle wieder an und wir kehrten auf dem Rückweg noch in eine typische Taverne ein.
Donnerstag, 08. Juni 2023
Bei herrlichem Sommerwetter gab es heute einen weiteren Höhepunkt unserer Reise – eine gemeinsame Kanutour auf dem Nestos, einem Fluss, der im bulgarischen Rilagebirge seine Quelle hat und in der Nähe von Kavala ins Thrakische Meer mündet. Auf seinen letzten Kilometern bildete sich über die Jahrtausende die tief eingeschnittene, breite und artenreiche Nestos-Schlucht, die nun ein Schutzgebiet nach Natura 2000 Kriterien darstellt.
So konnten wir unter anderem Schwarzstorch, Wiedehopf, Bienenfresser, Gänsegeier und Uferschwalbe beobachten. Auch die Vegetation war sehr spannend und divers, als Besonderheit konnten wir den östlichen Erdbeerbaum (Arbutus andrachne) ausmachen. Bei zwei Pausen gab es Gelegenheit für ein erfrischendes Bad und interessanten Gespräche mit unseren Kanuführern.
Auf dem Heimweg nach Stavroupoli konnten wir von einem herrlichen Aussichtspunkt aus die zurückgelegte Kanustrecke aus der Vogelperspektive bestaunen und uns in einem verlassenen Dorf mit freilaufenden Kühen, Ziegen und Pferden ein kurzes Dasein teilen.
Kanutour durch die Nestosschlucht, Foto: Caroline Lippold
Freitag, 09. Juni 2023
Die Landesgruppe Thüringen im Frakto-Virgin-Forest, Foto: Ingolf Profft
Tannen im griechischen Urwald, Foto: Claudia Kindermann-Weiß
Ziel des heutigen Tages war der Frakto Virgin Forest, circa 70 km nördlich der Stadt Drama auf einer Höhe von 1700 m und mehr. Das Urwaldgebiet ist seit 1979 als Nationales Naturmonument „Central Rhodopi Virgin Forest“ deklariert. Geografisch geschützt durch die nach drei Himmelsseiten hin verlaufende Gebirgskammlinie entwickelt sich dieser Wald seit mindestens 500 Jahren nahezu ungestört als Bergmischwald mit ausgeprägten Urwaldstrukturen aus Buchen (Rotbuche, Orientbuche und deren Hybriden), Fichte, Tannen und Ahorn (Acer heldreichii). Das Relief ist geprägt von tiefen Taleinschnitten mit Wasserfällen und einem hohen Anteil endemischer Pflanzenarten wie der Rhodopen-Lilie (Lilium rhodopaeum).
Auf der Strecke hinauf zum Frakto-Urwald konnten wir in unteren und mittleren Gebirgslagen den dort vorkommenden Kiefernprozessionsspinner, mit seinen Fußballgroßen Gespinsten, vor allem in Schwarzkiefern in großer Häufung entdecken. Dieses inzwischen massive Problem stellt die hiesige Forstverwaltung vor neue Herausforderungen.
Nach einem kurzen Abstecher in das Forest Village of Frakto, einem weit abgelegenen Hüttendorf für Waldarbeiter mit kleiner Schau- und Informationsstelle für die Naturausstattung des Gebietes, ließen wir den Abend zunächst in Drama und dann in Stavroupoli ausklingen. Alle besuchten Wälder der letzten Exkursionstage liegen, trotz ihrer Unterschiedlichkeit und Entfernungen untereinander, im zirka 170.000 Hektar großen Rhodopi Mountain-Range National Park.
Samstag, 10.06.2023
Der Tag begann mit Kulturgeschichte in Xanthi, wo wir das Wohnhaus eines reichen Tabakhändlers besichtigten, welches heute als Museum fungiert. Der Tabakanbau war von etwa 1820 bis zu den Weltkriegen in der Region weit verbreitet und brachte großen wirtschaftlichen Aufschwung und Reichtum. Das spiegelte sich auch in der Einrichtung des Händlerhauses wider.
Danach ging es hinauf in die Berge, wo uns Pantelis auf einer langen Wanderung noch einmal die Schönheit und Vielfalt der Landschaft zeigen wollte. Allerdings machte uns ein großes Gewitter mit anhaltendem Starkregen einen Strich durch die Rechnung. Statt zu Fuß legten wir einen Teil der Strecke auf der Ladefläche zweier von Pantelis hervorragend organisierten Pick Ups geschützt mit einer großen Plastikplane zurück.
Dann weiter zu Fuß zur Hütte von Hassan, einem guten Freund von Pantelis, wo wir uns im einzigen Wohnraum am offenen Kaminfeuer trocknen und erholen durften. Dazu gab es regionaltypische Polenta mit griechischem Ayran. So ungeplant, ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Bei unserem Aufbruch hatte es auch aufgehört zu regnen und wir liefen einen verborgenen schmalen steilen Pfad vorbei an geschneitelten Buchen zurück in die Zivilisation.
Abenteuerliche Pick-Up-Fahrt im Regen, Foto: Ingolf Profft
Sonntag, 11. Juni 2023
Es verschlug uns noch einmal an den Fluss Nestos, in das Nestosdelta. Zugehörig zum Nationalpark „Ostmakedonien und Thrakien“, eignen sich die Nebenarme, Seen und Lagunen der Deltalanschaft hervorragend zur Vogelbeobachtung. Begleitet von einem Mitarbeiter des Nationalparks und Vogelkundler entdeckten wir unter anderem Flamingos, Rosa-Pelikane, Rötelschwalben, verschiedene Brachvögel (Stelzenläufer, Kiebitze, Uferschnepfen etc.). Selbst ein Goldschakal ließ sich blicken.
Abends bot sich eine gute Gelegenheit, Xanthi mit seinen Restaurants und Cafés näher kennenzulernen.
Montag 12. Juni 2023
Der letzte Tag wartete noch einmal auf mit einer interessanten Begegnung. Bevor wir uns ganz der Kultur des Landes widmeten, entführte uns Pantelis ein letztes Mal in den Wald. Mit Hilfe von Pferden und Mulis und einem ausgeklügeltem Packsystem wurde Brennholz von der Einschlagsfläche im Steilhang zum Polterplatz transportiert. Es war sehr spannend, diese Zusammenarbeit von Mensch und Tier zu beobachten.
Danach besuchten wir die archäologische Ausgrabungsstätte Philippi, ein Muss für alle Besucher der Nordgriechenlands. Philippi ist aufgrund seiner Bedeutung als älteste christliche Gemeinde Europas 2016 zum UNESCO-Welterbe erklärt worden. Das Tabakmuseum von Kavala stand als Nächstes auf unserer Liste. Dank der engagierten Museumsmitarbeiterin wurde die Geschichte des Tabakanbaus und der Tabakverarbeitung für uns sehr lebendig. Ein kleiner Stadtbummel rundete den Kulturtag ab.
Die Exkursion in die griechischen Rhodopen ermöglichte den Teilnehmenden interessante Waldeindrücke und Einsichten zur Geschichte und Bedeutung des Waldes für die hiesige Region. Inwieweit das Baumartenspektrum auch in unseren Regionen und Wäldern Fuß fassen kann, bleibt zu probieren. Sicher müssen hier der Gesetzgeber und die forstlichen Forschungsstellen der Länder den Spielraum zur Saatgut- und Pflanzenverwendung erweitern sowie umfänglich begleitete Anbauversuche initiieren.
Darüber hinaus sammelten wir auch wunderbare kulturelle und kulinarische Eindrücke. Wir möchten uns ganz herzlich bei Pantelis für seine Organisation und Fürsorge bedanken, sowie allen anderen Begleitern, die uns die Tage in Griechenland mit ihrem Wissen und Engagement bereichert haben. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die ANW Bayern für die Kontaktvermittlung!
Claudia Kindermann-Weiß, Caroline Lippold
Holzrückung mit Mulis und Kleinpferden, Foto: Ingolf Profft
ANW-Frühjahrsexkursion am 27. April 2023 im Revier Tautenburg
Die Bewirtschaftung von Laubholzbeständen unter besonderer Berücksichtigung von Naturschutzaspekten verschiedener Schutzkategorien, langfristigen Klimaänderungen und Großstadtnähe
Revierleiter Matthias Beyer und ANW Vorstand Lars Wollschläger in Diskussion mit den TeilnehmerInnen im Waldbild 1
Am 27. April 2023 fand im Revier Tautenburg des Forstamts Jena-Holzland eine Exkursion zur Bewirtschaftung von Laubholzbeständen statt. Das Thema der Exkursion lag auf der besonderen Berücksichtigung von Naturschutzaspekten verschiedener Schutzkategorien, langfristigen Klimaänderungen und den Besonderheiten aufgrund der Großstadtnähe.
Etwa 100 Personen nahmen an der Exkursion teil, die von Revierleiter Matthias Beyer, Forstamtsleiter Bernhard Zeiss und der ANW Thüringen organisiert wurde. Der vorliegende Bericht, gibt einen Überblick über den Ablauf der Exkursion und die behandelten Themen.
Das Laub-Mischwaldrevier befindet sich im Nord/Westlichen Bereich des Forstamts Jena-Holzland und umfasst ca. 1.800 ha. Davon sind ca. 1.400 ha Landeswald, 90 ha Kommunalwald, 300 ha Privatwald sowie 10 ha gehören sonstigen Eigentümern. Der Kommunalwald ist vollständig beförstert. Der Privatwald ist kleinparzelliert und wird bis auf wenige Ausnahmen nur hoheitlich betreut. Die Höhenlagen erstrecken sich von etwa 150 m über NN bis etwa 325 m über NN. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei etwa 7,5 °C - 8,5 °C. Die jährlichen Niederschlagssummen betragen 500 - 600 mm. Das vorherrschende Grundgestein ist Muschelkalk, mit Lößauflage. Im Revier befinden sich 3 FFH Gebiete und 2 Naturschutzgebiete.
Die Exkursion begann um 9:00 Uhr an der Landessternwarte. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Zahl an TeilnehmerInnen wurden zwei Gruppen gebildet, die jeweils vier verschiedene Bestände besichtigten. Am Beispiel jedes Bestands wurden unterschiedliche Themen behandelt und diskutiert.
Das erste Waldbild war ein mittelalter Buchen-Mischbestand. Nach der Bestandsbegehung diskutierten die TeilnehmerInnen über den Umfang und die Notwendigkeit eines Vorratsaufbaus, die Eingriffsdringlichkeit und -stärke, die Möglichkeiten zur Förderung von Mischbaumarten, die Sinnhaftigkeit und Folgen der Verbreiterung von Gassenabständen, alternative Arbeitsverfahren, die Zukunftsfähigkeit der Z-Baum Selektion sowie die Legitimation der Forstwirtschaft in der Öffentlichkeit, was besonders im Hinblick auf die Großstadtnähe des Reviers erhöhter Aufmerksamkeit bedarf.
Bestandesbegehung des Waldbildes 1
TeilnerhmerInnengruppe in Diskussion im Waldbild 2
Matthias Beyer und Lars Wollschläger vor Waldbild 2
Bei dem zweiten Waldbild handelte es sich um einen Jungbestand aus Buchen, der in der Vergangenheit Sortimentshiebe mit Schirmschlag durchlaufen hatte. Die Diskussion drehte sich hauptsächlich um die Frage, welches waldbauliche Ziel wir in der Forstwirtschaft erreichen wollen und was wir dafür heute und in der Zukunft leisten können und müssen.
Waldbild 2
Am Beispiel des dritten Waldbilds wurde das eigens entwickelte Naturschutzkonzept von Matthias Beyer, basierend auf dem Trittstein-Naturschutzkonzept nach Ulrich Mergner, vorgestellt. Aktuell sind bereits 4 - 5% der Gesamtfläche von ca. 1.400 ha stillgelegt und in Trittsteinbiotope umgewandelt, zukünftig werden 10% Stilllegungsfläche angestrebt. Die Größen der einzelnen Trittsteine schwanken zwischen 0,10 und 3 ha und sind strategisch über die gesamte Revierfläche verteilt. Zudem wurden besonders Bodenschutz, Orchideenkartierung, sowie Totholz und Habitatbäume im vorgestellten Naturschutzkonzept aufgegriffen.
Anschließend wurden insbesondere die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Forsteinrichtung besprochen und von den TeilnehmerInnen im Hinblick auf eigene Revierstrukturen und Erfahrungen reflektiert und eingeordnet. Es wurde auch über den Umgang mit Totholz in Wegenähe sowie die damit einhergehenden Gefahren, über den optimalen Umgang und über die Gewichtung von Stilllegungs-/Naturschutzflächen und Forstwirtschaft diskutiert.
Matthias Beyer und Lars Wollschläger vor Waldbild 3
Parkende Autokolonne der TeilnehmerInnen, nahe des Waldbildes 3
Bei der Besichtigung des vierten Waldbildes wurde vorrangig über Durchforstung und die Auszeichnung junger, artenreicher Bestände gesprochen. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf den damit einhergehenden Kosten und den Möglichkeiten für Pflegeeingriffe, sowie auf dem Umgang mit verbleibendem Totholz.
Es handelte sich um einen Südhang und ehemaligen Kahlschlag, auf dem vor ca. 45 Jahren ausschließlich Lärche, Eiche, Schwarznuss und Speierling gepflanzt wurden. Das enorme Potential des Standortes wurde am Beispiel dieses Waldbildes besonders veranschaulicht, da durch Naturverjüngung, auf dieser Fläche, mittlerweile mehr als zehn verschiedene Baumarten (wie z.B. Elsbeere, Esche oder Bergahorn) und ebenso auch Orchideen zu finden sind. Die Diskussionen und Erfahrungen haben deutlich gemacht, dass die praktische Umsetzung von Naturschutz und Stilllegung in eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Forstwirtschaft, insbesondere in Großstadtnähe, einer individuellen Abwägung bedarf.
Die Exkursion hat gezeigt, dass im Revier Tautenburg ein innovatives und integratives Naturschutzkonzept umgesetzt wird, das teilweise auf Trittsteinbiotopen basiert. Die stillgelegten Flächen tragen zur Artenvielfalt bei und stellen wichtige Rückzugsräume für gefährdete Arten dar.
Die Diskussionen über die Integration von Stilllegungs- und Naturschutzflächen in die Forstwirtschaft haben deutlich gemacht, dass es wichtig ist, einen sinnvollen Ausgleich zwischen den beiden Aspekten zu finden, was mitunter herausfordernd sein kann. Zudem wurde durch die Erfahrungen des Revierleiter verdeutlicht, wie unablässig die gute Zusammenarbeit mit Bürgern und mit den Naturschutzbehörden ist.
Abschließend lässt sich die Exkursion als äußerst informativ und spannend einschätzen. Die Teilnehmenden erhielten wertvolle Einblicke in die Bewirtschaftung von Laubholzbeständen unter Berücksichtigung von Naturschutzaspekten verschiedener Schutzkategorien sowie den langfristigen Klimaänderungen – und in die Besonderheiten, die mit der Nähe des Reviers zur Großstadt einhergehen. Die Diskussionen zeigten, dass es viele Herausforderungen, aber auch Chancen für die Forstwirtschaft, insbesondere im Hinblick auf den integrativen Naturschutz, gibt. Wir bedanken uns bei den Organisatoren für die hervorragende Veranstaltung und freuen uns sehr auf weitere dieser Art.
Text und Fotos: Julia Elisabeth Bloch und Carolin Peters